18. Juni 2025

Blutungen und neue Krebsdiagnosen unter Antikoagulation bei Vorhofflimmern

In einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie waren Blutungen bei Patienten mit Vorhofflimmern unter Antikoagulation eng mit neuen Krebsdiagnosen verbunden. Patienten mit solchen Blutungen sollten deshalb bald untersucht werden, anstatt die Blutung als erwartete Nebenwirkung zu betrachten, so die Schlussfolgerung der kanadischen Arbeitsgruppe in Circulation*.
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Blutungen nach Beginn einer Antikoagulation bei Vorhofflimmern (VF) können ein erstes Anzeichen einer Krebserkrankung sein, insbesondere bei älteren Menschen. Es gibt keine Empfehlungen für die Abklärung von Malignomen nach neu aufgetretenen Blutungen nach Antikoagulation bei VHF.
Ziel der Studie war es, den Zusammenhang zwischen Blutungen nach Beginn einer oralen Antikoagulation bei VF und neuen Krebsdiagnosen in einer Bevölkerungs-Stichprobe zu untersuchen.

Methoden:

Es wurde eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie mit verknüpften administrativen Datensätzen von Personen ab 66 Jahren durchgeführt, die zwischen 2008 und 2022 nach der Diagnose von Vorhofflimmern neu mit Cumarinen oder direkten oralen Antikoagulanzien begannen.

Die Nachuntersuchung erfolgte zwei Jahre nach Beginn der Antikoagulation. Patienten mit Herzklappenerkrankungen, chronischer Dialyse, venöser Thromboembolie, Krebs in der Vorgeschichte oder zuvor dokumentierten Blutungen wurden ausgeschlossen.
Blutungen wurden anhand der Entlassungsunterlagen von Krankenhaus/ Notaufnahme und Arztrechnungen identifiziert. Primärer Endpunkt war ein neu aufgetretener bösartiger Tumor. Es wurde außerdem der Ursprungsort der Malignität und das Stadium zum Zeitpunkt der Diagnose ermittelt, sofern dies im Ontario Cancer Registry angegeben war.

Ergebnisse:

Von 119.480 Personen (Durchschnittsalter 77,4 Jahre; 52 % Männer), die mit der Einnahme von Antikoagulanzien begannen, wurden bei 26.037 (21,8 %) Blutungen dokumentiert, und bei 5.800 (4,9 %) wurde innerhalb der folgenden zwei Jahre eine maligne Erkrankung diagnostiziert. Blutungen waren mit einem höheren Risiko (Hazard Ratio (HR)= Häufigkeitszunahme gegenüber der Vergleichsgruppe von 4,0x) für eine Krebsdiagnose verbunden. Die HRs für alle malignen Erkrankungen lagen bei 5,0x für gastrointestinale, 5,0x für urogenitale, 4,0x für Atemwegs-, 1,8x für intrakranielle und 1,5x für nasopharyngeale Blutungen.

Die HRs waren für Krebserkrankungen, die mit der Blutungsstelle übereinstimmten, deutlich höher (gastrointestinal 15,4; urogenital 11,8; respiratorisch 10,1). Krebserkrankungen wurden nach der Blutung in einem früheren Stadium diagnostiziert (27,6 % im fortgeschritenerem Stadium 4 nach Blutung versus 31,3 % ohne Blutung; P = 0,029).

Schlussfolgerungen:

Bei antikoagulierten Patienten mit Vorhofflimmern war Blutung stark mit neuen Krebsdiagnosen assoziiert. Vorangegangene Blutungen waren mit einer Krebsdiagnose in einem früheren Stadium assoziiert. Dies unterstreicht die Bedeutung zeitnaher Untersuchungen bei Patienten mit Blutungen nach Antikoagulation bei Vorhofflimmern, anstatt Blutungen als erwartete Nebenwirkung zu betrachten.

Kommentar:

Was zeigt diese Studie?

  • Blutungen nach Beginn der Antikoagulation bei Vorhofflimmern (VHF) sind mit einem erhöhten Krebsrisiko an dieser Stelle verbunden.
  • Bei den meisten Patienten mit Blutungen nach Beginn der Antikoagulation bei VHF werden möglicherweise keine rechtzeitigen Untersuchungen auf maligne Erkrankungen durchgeführt.
  • Krebserkrankungen, die nach Blutungen bei Patienten unter Antikoagulation bei VHF diagnostiziert werden, könnten früher diagnostiziert werden.

Was bedeutet dies für die klinische Versorgung?

  • Diese Ergebnisse sollten dazu beitragen, dass bei Patienten mit Blutungen nach Antikoagulation rechtzeitige Untersuchungen auf maligne Erkrankungen in Betracht gezogen werden.
  • Eine rechtzeitige Untersuchung auf maligne Erkrankungen bei Patienten mit Blutungen nach Beginn der Antikoagulation bei Vorhofflimmern kann eine Krebsdiagnose in einem früheren Stadium ermöglichen und so die Heilungschancen erhöhen.
  • Angemessene Untersuchungen zur Blutungsquelle können zudem die Zuversicht in die Wiederaufnahme der Antikoagulation stärken, sofern die zugrunde liegende Ursache behoben ist oder keine schwerwiegende Pathologie festgestellt wird.

Diese Ergebnisse waren unabhängig von der Durchführung der z.B. in Deutschland empfohlenen Risiko-adaptierten Vorsorge-Untersuchungen.

*Quelle: https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.124.070865