30. Juli 2025

Wie das menschliche Gehirn so einzigartig wurde

Was macht das menschliche Hirn so einzigartig? Die Genetik des Menschen differiert nur in 1% vom Schimpansen. Wo liegt aber die Ursache für die erheblichen funktionellen Unterschiede? Kann über den hier beschriebenen Weg ein Korrelat auch für neurologische oder psychiatrische Erkrankungen gefunden werden?
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Warum ist das menschliche Gehirn so besonders?

Obwohl Menschen und Schimpansen mehr als 99 % der gleichen DNA haben, ist unser Gehirn viel leistungsfähiger. Wir denken, sprechen, lernen und fühlen auf eine Weise, die bei Schimpansen so nicht vorkommt. Wie ist das möglich?

Die Antwort könnte in sechs bestimmten Zellarten im Gehirn liegen.

Wer forscht daran?

Die Biologin Prof. Dr. Soojin Yi von der Universität Kalifornien (Santa Barbara) möchte verstehen, warum sich das menschliche Gehirn so anders entwickelt hat als das von anderen Primaten wie dem Schimpansen. Ihre aktuelle Studie wurde im Fachjournal PNAS veröffentlicht und untersucht die Unterschiede in der Genaktivität in bestimmten Gehirnzellen.

Was wurde untersucht?

Frühere Studien vermuteten, dass sich das menschliche Gehirn durch eine schnellere Veränderung der Genaktivität (also wie stark Gene ein- oder ausgeschaltet werden) entwickelt hat. Prof. Yi und ihr Team wollten genauer wissen, welche Zellarten sich besonders stark verändert haben.

Dazu untersuchten sie Gehirnzellen von Menschen, Schimpansen und Makaken – nicht alle auf einmal, sondern jede Zelle für sich. Das nennt man Einzelzell-Analyse. Sie betrachteten dabei:

  • 2 Arten von Nervenzellen (Neuronen):
    • Erregende Neuronen, die Signale weiterleiten
    • Hemmende Neuronen, die Signale bremsen
  • 4 Arten von Stützzellen (Gliazellen):
    • Astrozyten – versorgen Nervenzellen und schützen das Gehirn
    • Mikroglia – sind die „Immunsoldaten“ im Gehirn
    • Oligodendrozyten – isolieren Nervenzellen mit Myelin
    • Oligodendrozyten-Vorläuferzellen – werden später zu Oligodendrozyten
Die wichtigsten Erkenntnisse

✅ Menschen haben in allen sechs Zellarten deutlich mehr Genaktivität als Schimpansen.
✅ Zwischen 5 % und 10 % der Gene zeigten bei Menschen andere Aktivitäten als bei Affen.
✅ Bei bestimmten Zelluntergruppen stieg dieser Unterschied sogar auf 15 %.
✅ Jede Zellart entwickelt sich auf eigene Weise weiter – je nach ihrer Aufgabe im Gehirn.

Ein Beispiel: Die Gene, die bei Mikroglia aktiv sind, unterscheiden sich stark von denjenigen bei Neuronen. Das zeigt: Auch Zellen gleichen Typs können sich in verschiedenen Hirnregionen unterschiedlich verhalten.

🧠 „Das Gehirn ist kein einheitliches Organ, sondern ein Zusammenspiel vieler spezialisierter Zellarten.“ – Prof. Yi

Was sagen andere Wissenschaftler?

Auch Prof. André Sousa von der Universität Wisconsin-Madison findet die Studie spannend. Er sagt:
„Frühere Studien haben das ganze Gewebe untersucht, nicht einzelne Zellen. Dadurch gingen viele Unterschiede verloren. Jetzt sehen wir viel mehr Details.“

Er betont aber auch: Die Technik hat Grenzen – man muss die Daten vorsichtig interpretieren, da durch Einzelzell-Analysen die Unterschiede stärker wirken könnten, als sie sind.

Sousa findet besonders interessant, dass bei Menschen und Schimpansen eher Gene dazukamen (hochreguliert wurden) als verschwanden (runterreguliert wurden). Warum das so ist, weiß man noch nicht genau. Es könnte mit der Evolution oder mit den Funktionen der Gene zu tun haben.

Fazit für Laien: Warum ist das wichtig?

Diese Studie zeigt, wie unser Gehirn sich durch die Entwicklung von einzelnen Zellarten so verändert hat, dass wir sprechen, fühlen, denken und lernen können – ganz anders als unsere tierischen Verwandten.

Und obwohl wir uns nur minimale genetische Unterschiede mit Affen teilen, kann schon ein kleiner Unterschied in bestimmten Zellarten große Wirkung haben.

Warum interessiert das auch die Medizin?

Das bessere Verständnis dieser Zellarten kann helfen, neurologische Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose besser zu verstehen – und vielleicht sogar neue Therapien zu entwickeln.

Kommentar:

Weitergedacht könnte man sich vorstellen, daß auch psychiatrische Erkrankungen wie Autismus und Psychosen unter einem neuen Bild erscheinen. Wird es eventl auch individuelle Ansätze zur Therapie solcher Krankheiten geben? Ein spannendes Thema!